Die Geschichte des Vereins »Ulmer Kinderkrippe e. V.«

Bis 2000 »Verein KRIPPE ULM e. V.«

Gründung

Nach dem Muster der in Paris 1844 und in Stuttgart 1865 eröffneten beiden Kinderkrippen setzt sich 1876 eine Gruppe von Ulmer Bürgern aus der Freimaurerloge »Carl zu den drei Ulmen« zum Ziel, auch den ärmsten Familien in Ulm die Möglichkeit zu bieten, ihre kleinen Kinder während der Arbeitszeit der Mütter in einer verlässlichen Einrichtung pflegen zu lassen. Ein Aufruf zu tätlichem oder finanziellem Einsatz wird in Ulmer Gesellschaftskreisen in Umlauf gegeben, erbringt 160 Unterschriften und am 20. August 1877 eröffnet in der Sattlergasse 4 die Ulmer Krippe.

26 Kinder, später bis 50 Kinder werden von einer Diakonisse und einigen Hilfskräften in christlichem Geist betreut. Alles Andere wird ehrenamtlich geleistet in verschiedenen Funktionen:

1. Vorstand: Geistliche der Ulmer Evang. Gesamtkirchengemeinde, meist Prälat oder Dekan.
2. Vorstand: Pfarrer der Ulmer Evang. Gesamtkirchengemeinde.
Vorsteherin und ihre Vertreterin: Damen aus der Gesellschaft, z. B. Frauen der Oberbürgermeister oder der Regimentskommandeure. Sie nehmen Leitungsaufgaben im Tagesablauf der Krippe wahr.
Rechner: Ein Kaufmann.
Anstaltsarzt: Ein Ulmer Arzt, erst später ein Kinderarzt.
Das Protektorat übernimmt gerne I.K.M. Königin Olga von Württemberg.

Die Einrichtung wird finanziert durch Wohltätigkeitsveranstaltungen, Bazare, Konzerte sowie Spenden und Nachlässe. Der Elternbeitrag für ein Kind beträgt zunächst 10 Pfennige pro Tag.

Anfang des 20. Jahrhunderts

1902 zieht Krippe in die Basteistraße 11 um. Hier steht ihr nun auch ein Garten zur Verfügung. In dem Gebäude sind gleichzeitig eine Suppenküche und eine Kleinkinderschule untergebracht. Das Anwesen gehört der Hospitalstiftung, mit der 1908 ein für die Krippe sehr vorteilhafter, weit reichender Vertrag abgeschlossen wird der die Unterbringung der Krippe auf lange Sicht in Ulm sicherstellt.

1910 geht auf Antrag der katholischen Pfarrgemeinde in Söflingen eine Filialkrippe im Klosterbräuhaus, Klosterhof 17 in Betrieb. Vorstand dort wird der katholische Stadtpfarrer Schöninger, sein Vertreter der evangelische Pfarrer Traub.

1924 übergibt die Stadt Ulm auf Antrag die Kleinkinderschule in der Basteistraße dem Verein Krippe, so dass ab diesem Zeitpunkt neben den Krippekindern auch ältere Kleinkinder betreut werden.

Das Essen für die Krippekinder, bisher von der Spitalküche geliefert, wird seit 1925 auf einem eigenen Gasherd selber gekocht. Das ist ein großer Fortschritt, weil die Ernährung kindgemäßer gestaltet und nach ärztlichen Anweisungen fortschreitend verbessert werden kann.

1927, noch vor dem 50. Jubiläum, renoviert die Hospitalstiftung die Räume und richtet eine neue Waschküche mit Bügelzimmer und Trockenraum ein.

Einflussnahme NSV

Die Einflussnahme der NSDAP ab 1935 und erste Versuche, die Enteignung der Krippe durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) herbeizuführen, bringen die Krippe in eine schwierige Situation. Auch eine vorsorgliche Satzungsänderung kann nichts ausrichten: Am 1. September 1937 übernahm die NSV die Söflinger Krippe. Durch intensiven Widerstand gelang es dem damaligen Vorstand, Stadtpfarrer Schmid, und der Vorsteherin, Frau Clara Greiss, die Übernahme der Krippe in der Basteistraße bis zum 1. April 1943 hinauszuzögern. Aber gegen die Drohung, den Verein als »staatsfeindliche Einrichtung« einzustufen, ist jeder Widerstand zwecklos.

Am 17. Dezember 1944 wird das Gebäude in der Basteistraße beim Fliegerangriff vollständig zerstört.

Nachkriegszeit

Dem damaligen Vorstand, Stadtpfarrer Schmid und der Vorsteherin Frau Clara Greiss gelingt es, nach dem Krieg unter Bezug auf den Vertrag von 1908 die Ansprüche des noch bestehenden Vereins auf Wiedergutmachung durchzusetzen. Die Stadt Ulm baut neue Räumlichkeiten, das Diakonissen-Mutterhaus Stuttgart stellt 3 Diakonissen zur Verfügung und am 2. Februar 1953 eröffnet die Krippe ihre Arbeit mit 40 Kindern in der Schillstraße 44. Leiterin ist Schwester Hilde Knittel. 1954 besteht das Personal aus zwei Diakonissen, zwei Verbandsschwestern und drei Hausgehilfinnen bei einer Belegung mit 40 Kindern, 15 im Alter von sechs Wochen bis zu einem Jahr und 25 zwischen einem und drei Jahren alt.

Schon 1956 sind nach Erweiterung der Gebäude 99 Kinder aufgenommen, je nach Alterszusammensetzung sind bis zu 107 Kinder erlaubt. Die Belegschaft besteht im pädagogischen Bereich aus der Leiterin, 5 Gruppenleiterinnen und 6 Hilfskräften.

Mitte 1964 zieht das Diakonissen-Mutterhaus ihre 4 Schwestern wegen Nachwuchsmangels ab. Damit war im Grunde die Finanzierung der Arbeit in Frage gestellt. Im Januar 1965 übernimmt die einzige noch verbliebene Schwester Maria Schweizer die Leitung der Krippe und ab 1. April 1967 Diakon Peter Rodermund das Amt des Rechners. Beide haben erreicht, dass wenigstens das Niveau der gesamten Einrichtung gehalten werden konnte.

Die 70er Jahre des 20. Jh.

Bei der Aufnahme der Kinder stehen seit jeher soziale Kriterien im Vordergrund. 1971 waren von 71 Kindern 85 % Kinder von Alleinerziehenden, von Vätern in Ausbildung, von in Gerichtsverfahren verwickelten Eltern oder Ausländerfamilien.

Ab den 1970er Jahren laufen die Personalkosten aus dem Ruder. Das zeigt die folgende Tabelle:

Jahr Kostensteigerungsfaktoren
Gesamtkosten Personalkosten Sachkosten
1963 1,00 1,00 1,00
1969 2,17 2,61 1,40
1979 5,38 5,54 2,23
1989 8,17 11,11 2,02
1999 11,68 16,84 2,50
2009 14,36 19,80 4,65

Selbst die normale Beteiligung an den Kosten durch die Stadt Ulm und die evangelische Gesamtkirchen­gemeinde reichen zur Deckung nicht aus. Das Problem ist, dass damals Zuschüsse nur für Kinder ab 3 Jahren vorgesehen sind, die Krippe aber in dieser Altersgruppe nur 4, bei den Kindern unter 3 Jahren aber 6 Fach- und Hilfskräfte im Einsatz hat.

1977 übernimmt Prälat Hans von Keler den Vorsitz. Er erreicht 1979 eine Vereinbarung mit Stadt und Kirche, die eine Übernahme des Abmangels im Verhältnis 80:20 vorsieht. Ziel: »In Zukunft soll es keine jährlichen Bittgänge mehr geben!«

Aber die Kosten steigen weiter während die Gesamtkirchengemeinde bei niedrigerem Steuereinkommen den Zuschuss zuerst deckeln, dann sogar reduzieren muß. Die Stadt möchte aber auf den Träger Verein Krippe nicht verzichten und findet einen für die Kirche annehmbaren Weg.

Von diesen Kämpfen hinter den Kulissen ist im täglichen Geschäft in der Krippe gottlob nicht viel zu spüren.

späte 80er Jahre bis heute

Ende 1989 geht Schwester Maria in den Ruhestand.
Frau Ursula Neidlinger, Diplompädagogin, übernimmt die Leitung der Krippe mit frischen Kräften.

Im Jahr 2000 gibt sich der Verein einen neuen, für nicht Eingeweihte verständlicheren Namen und firmiert nun unter Ulmer Kinderkrippe e.V., schon äußerlich sichtbar durch die beiden großen Namensschilder in der Schillstraße und am Söflinger Ring. Die Krippe soll im Stadtbild Ulms erkennbar sein.
Anlässlich der Renovierung der Gebäude installiert der Verein auf dem Dach eine Photovoltaikanlage. Die Satzung wird erneut an die Entwicklung angepasst, ein Leitbild wird gemeinsam mit den Mitarbeitern erarbeitet.

Seit Kurzem spielen auch in der Sozialpolitik Krippen nicht nur eine größere Rolle, sondern werden auch angemessen finanziell gefördert.